Gedankenaustausch: Was kommt nach UX?

Mit dieser Folge wagen wir ein kleines Experiment. Einer von uns spricht über einen Gedanken, der ihn gerade umtreibt und erhofft sich mit euch in einen Dialog zu treten. Dazu seid ihr alle herzlich eingeladen hier in den Kommentaren eure Perspektive auf die Gedanken zu teilen. Wir starten mit der Frage, ob nach UX als Gestaltungsaspekt vielleicht die bewusste Gestaltung der Beziehung zwischen User und Produkt ist.

Dominique spricht diesmal über seine Gedanken, welche Gestaltungsaspekte nach der UX kommen können und wirft dabei einen Blick in eine mögliche Zukunft in 30 Jahren. Vor 30 Jahren war noch eher Usability und die Benutzbarkeit relevant. Aus der Usability hat sich dann im Laufe der Zeit die UX entwickelt. Für Produkte wurde die Metapher des Werkzeugs verwendet. Der Gestaltungsaspekt der UX ist aber auf das Erleben der Interaktion fokussiert und wir versuchen insbesondere ein positives Erleben zu erzeugen.
Menschen haben jedoch bezogen auf die Interaktion mit Produkten oft eine Aneinanderreihung von Episoden der Nutzung und der Nicht-Nutzung. Die Summe dieser Episoden erzeugt bei Menschen ggf. eine Beziehung zum Produkt. Dominique ist davon überzeugt, dass nach wir uns von der reinen Nutzbarkeit hin zum Erleben der Interaktion bewegt haben und zukünftig noch stärker in die Gestaltung der Beziehungsebene bewegen werden. Es geht dann nicht mehr nur darum EIN positives Erlebnis, sondern eine Historie aus positiven Erlebnissen zu schaffen, die eine emotionale Bindung der ein oder anderen Art zwischen User und Produkt ermöglicht. Besonders durch Automaten, die viel natürlicher mit dem Menschen kommunizieren wird der Aspekt des Partners stärker. Selbstverständlich brauchen wir weiterhin UX als Gestaltungsaspekt. Ohne positive Nutzungserlebnisse schaffen wir keine positive Nutzerbeziehung. Genauso braucht ein gutes Nutzungserlebnis eine gute Benutzbarkeit. Was bedeutet das für die Ausarbeitung zukünftiger Verantwortlichkeiten? Wahrscheinlich wird mehr Fokus auf die User Journey außerhalb der einzelnen Nutzungsepisode gelegt. Es werden Fragen geklärt wie: Wie sollen Nutzer die Beziehung zu dem Produkt empfinden oder wie ermöglichen wir eine emotionale Bindung? Produkte werden so zu emotional aufgeladenen Artefakten des Lebens. Die mögliche Metapher ist dann der Partner und wir müssen uns klar haben, welche Werte und Prinzipien das Produkt in der Beziehung und nach außen vertritt. Auch müssen wir verstehen, was es besonders macht.
Die Entwicklung einer Persönlichkeit des Produkts erfolgt durch Austausch, bzw. Interaktion. Es gibt im Buch Gamestorming eine gut dazu passende Übung (Pinocchio-Produkt-Übung). Stell dir vor, dein Produkt erwacht auf einmal zum Leben. Welchen Charakter hat es und wofür kämpft es?

Hedonische Aspekte fließen wahrscheinlich stark in die Bildung der Beziehung ein. Eine Beziehung macht auch was mit einem selbst. Customer Relation und User Relation wirken stark auf einander ein, je nach Produkt. Die Beziehungsebenen werden einen Einfluss aufeinander haben. Hier wird sich aber im Laufe der Zeit eine Abtrennung der Fachdisziplinen entwickeln.

Es werden aber auch Probleme durch die Fokussierung entstehen. Die Integration von UX als Gestaltungsaspekt in die Entwicklungsvorgänge von Organisationen ist im Moment auf breiter Flur zum Beispiel noch nicht abgeschlossen. Wie bei UX werden neue Fähigkeiten und Fertigkeiten gebraucht und nicht alle UX-Professionals haben diese bereits. Es wird eine Diffundierung der neue Fachdisziplin geben, die erst nach längerer Zeit konsolidiert werden wird.

Jetzt aber genug von Dominiques Gedanken. Wie seht ihr das? Was ist eure Meinung? Teilt es mit allen hier in den Kommentare (und ausnahmsweise mal nicht auf unserer LinkedIn-Seite).

Wenn ihr doch lieber eine “normale” Folge gehört hättet, bieten wir euch ein paar alte Schätzchen an:

5 Kommentare zu „Gedankenaustausch: Was kommt nach UX?“

  1. Vielen Dank für deine Überlegungen, ich fand sie sehr anregend. Ich glaube, dass viele, die heute auf der UX-Ebene vermeintlich vieles richtig machen (und Heerscharen von Experten beschäftigen), bereits heute auf der Beziehungsebene scheitern. Ich denke da an die großen Telkoms. Sie scheinen nicht zu bedenken, dass Verbraucher eine schlechte Historie erinnern, selbst wenn die einzelne Episode (z.B. neuen Vertrag abschließen) schnell und gut gelingt. Es wäre hilfreich für die Product Owner (z.B. Mobilfunk) sich dieser Geschichten ihrer Verbraucher bewusst zu werden.
    Doch wie viel ist tatsächlich “neu” am Beziehungsgedanken? Vermutlich sind es alte Stärken (der Elektroladen um die Ecke; der lokale Versicherungsvertreter), die nun auf Plattformen übertragen werden sollen, um Werte wie Vertrauen, Kompetenz oder Verlässlichkeit zu kreieren.
    Zweiter Gedanke: Auch Internet-Schwergewichte sind nicht dagegen gefeit, auf der Beziehungsebene zu scheitern. Um Werte zu repräsentieren, müssen sie Werte haben. Jetzt schaltet FB teure Plakat-Werbekampagnen, um die Werte zu transportieren, die ihre User ihnen online nicht (mehr) abnehmen … Werden die GAFA die UX in Richtung Beziehungsmangement online verbessern? Versuchen werden sie es. Aber wie sehr wir ihnen das abnehmen, wird sich zeigen.

  2. Vielen Dank für deinen spannenden Diskussionsbeitrag. Die beschriebene Vision spricht mich sehr an. Ich habe in der Vergangenheit in Unternehmen mit unterschiedlichem Reifegrade der Customer Relationship gearbeitet. Bei einem grossen Online-Händler konnte ich mich aus der UX-Abteilung heraus regelmäßig mit dem CRM-Team austauschen, Research-Ergebnisse teilen und über geplante Maßnahmen informieren. Diese Meetings fanden zusammen mit der Marktforschung statt, so hatten wir wichtige Disziplinen an einem Tisch und der Austausch war stets sehr tiefgreifend, überraschend und nachhaltig. In diesem Setting fand ich viele deiner Ideen bereits erfüllt, beziehungsweise der optimale Boden für eine entsprechende Entwicklung. Die von dir beschriebenen und bevorstehenden Herausforderungen kann ich nur unterschreiben, End-To-End-Verantwortung, sich stets wandelnde Kommunikation, neue Nutzungssituationen und der Blick auf die Nicht-Nutzung werden uns in den nächsten Jahren herausfordern.

  3. Hallo Dominique,

    Leider kann ich Dir kein Stoff zum Reiben oder kontrovers diskutieren liefern. Ich finde deine Ausführungen und Gedanken super und denke auch, dass es genau da jkn geht. Ich arbeite auch im Vertrieb und weiß daher wie wichtig die Beziehungsebene ist. Und ds sich das Produkt ja auch verkaufen will, ist die Ebene “natürlich” auch für das Produkt essentiell.
    VG Philip

  4. Ich fühlte mich beim Hören an das Cluetrain Manifesto erinnert. Märkte sind Konversationen; Unternehmen sollten sich für die Menschen und ihre Bedürfnisse interessieren und mit menschlicher Stimme sprechen ( https://www.cluetrain.com/ ). Klingt nach guten Voraussetzungen für eine gute Beziehung.

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